Veröffentlicht am

7.11.2024

Skills versus Kompetenzen - Worin besteht der Unterschied?

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Dr. Nico Broers

Program Manager

Kategorie:

Learning Hub

Lesezeit

10

Minuten
Skills versus Kompetenzen

Stell dir vor, du bist auf einer Reise – der Kompass gibt dir die Richtung vor, aber die Details fehlen. Kompetenzmodelle sind wie dieser Kompass: Sie bieten eine grobe Orientierung und langfristige Ausrichtung, indem sie globale Anforderungen an Mitarbeitende festlegen. Skills hingegen sind wie ein modernes Navigationssystem – sie zeigen präzise Wege, um schnell und flexibel ans Ziel zu kommen.

In diesem Artikel befassen wir uns mit der Kernfrage, inwiefern man Kompetenzmodelle und Skills als Konzepte miteinander integrieren kann. Was ist, über verschiedene Anwendungsfälle hinweg, der genaue Unterschied zwischen Skills und Kompetenzen, warum brauche ich beides und wenn ich beides brauche, wie kombiniere ich beides sinnvoll miteinander?

Was sind Kompetenzen und warum sind sie wichtig?

Kompetenzen umfassen eine übergeordnete Kombination aus Fähigkeiten, Wissen, Verhalten und Einstellungen. Insbesondere im Performance Management dienen Kompetenzen als Instrument, um Verhalten zu bewerten und eine gewisse Transparenz zu schaffen, in Situationen, in denen keine klaren quantitativen Ziele vorhanden sind. Kompetenzen umfassen dabei oft eine Vielzahl von beobachtbaren Verhaltensweisen, die erforderlich sind, um in einer bestimmten Rolle erfolgreich zu agieren. Kompetenzen sind häufig stark an die strategischen Ziele und die Kultur eines Unternehmens gebunden und fördern eine ganzheitliche, langfristige Entwicklung der Mitarbeitenden von einer Organisationsentwicklungsperspektive. Oftmals definieren Personalabteilungen Leuchtturmkompetenzen, Kompetenzen, die ungeachtet der Job-Rolle für das Unternehmen wünschenswerte Verhaltensweisen definieren (z.B., Teamfähigkeit). Kompetenzen bieten als Konzept also eine Art Übersichtlichkeit, die es Personalabteilungen ermöglicht, wünschenswerte Verhaltensweisen und Fähigkeiten zu definieren und sie an den Unternehmenszielen strategisch auszurichten. Die Übersichtlichkeit von Kompetenzen ist gleichzeitig ihre größte Stärke und ihre größte Schwachstelle, abhängig vom Anwendungsfall.

Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die “Teamfähigkeit”, die durch zahlreiche kleine, konkrete Handlungen wie “freundliche Kommunikation“ oder “inklusive Kollaboration” charakterisiert wird. Die Herausforderung besteht darin, dass Kompetenzen häufig so allgemein formuliert sind, dass sie für einige praktische Anwendungen nicht ausreichend detailliert sind. Um eine Kompetenz wie die Teamfähigkeit greifbar zu machen, muss sie in kleinere, klar definierte Verhaltensanker unterteilt werden. Dazu gehören beispielsweise effektive Kommunikation oder aktives Zuhören, Fähigkeiten, die individuell erlernbar und messbar sind und somit eine effektive Umsetzung in der täglichen Praxis ermöglichen. Sie helfen, das Verhalten von Mitarbeitenden zu bewerten, indem sie eine Erwartungshaltung abbilden, die als Orientierung für die Leistung dient. Wenn ich als Führungskraft in einen Performance-Dialog mit einer Fachkraft trete, würden mir die zu besprechenden Kompetenzen helfen, die Performance gemeinsam mit der Fachkraft global zu bewerten. In der Praxis werden Kompetenzen jedoch häufig stark aggregiert, sodass nur sehr allgemeine und für viele Use Cases zu abstrakte Kategorien übrig bleiben. Wenn im Performance-Dialog also herauskommt, dass ich als Fachkraft noch nicht alle Anforderungen der “Teamfähigkeit” erfüllt, was genau bedeutet das für die weiterführende Entwicklung?

Was sind Skills und warum sind sie wichtig?

Skills sind messbare Fertigkeiten, die durch Wissen aufgebaut werden. Dazu zählen beispielsweise Programmierkenntnisse in Python, das Bedienen spezialisierter Maschinen oder das Projektmanagement nach agilen Methoden. Skills sind als Konzept kurzfristig anwendbar, messbar und lassen sich gezielt weiterentwickeln. Sie sind oft spezifischer als Kompetenzen und lassen sich durch Tests oder Wissensfragen leichter quantifizieren. Zudem können Skills je nach Anwendungsfall noch weiter heruntergebrochen werden, um noch präziser auf die benötigten Wissensstände zu schließen. Wenn ich mich zum Beispiel in Microsoft Excel gezielt weiterbilden möchte, können meine Wissenslücken über bestimmte Unterkategorien (Funktionen in Microsoft Excel) des allgemeineren Skills (Microsoft Excel) präziser repräsentiert werden, was konkretere Lernempfehlungen zur Folge hat (z.B. ein e-learning-Kurs zu Funktionen in Microsoft Excel). Ein Kompetenzmodell hingegen wird schnell unpraktikabel, wenn man alle möglichen Verhaltensanker definiert, die gewünschte Wissensstände bezüglich einer Kompetenz definieren.

Skills ermöglichen es, Mitarbeitende gezielt weiterzuentwickeln und ihre Fähigkeiten agil an die sich wandelnden Anforderungen des Marktes anzupassen. Der Fokus wird sich in Zukunft zunehmende von starren Jobtiteln hin zu flexibleren Skill-Profilen verschieben, was den Unternehmen eine größere Dynamik und Anpassungsfähigkeit verleiht. Während in den nächsten zwei Jahren laut einer Studie des World Economic Forums (2023) bis zu 85 Millionen Arbeitsplätze wegfallen könnten, könnten gleichzeitig bis zu 97 Millionen neue skill-basierte Arbeitsplätze, welche spezifische Fähigkeiten und Fachkenntnisse von Mitarbeitenden erfordern, entstehen. Diese Verschiebung zeigt, wie entscheidend es ist, sich auf die Skills der Mitarbeitenden zu konzentrieren. 70% der Führungskräfte planen bereits, ihre HR-Ansätze auf skill-basierte Strategien umzustellen, um schneller auf Marktveränderungen reagieren zu können. Der Fokus auf Skills ist dabei nicht nur ein Anpassungsmechanismus, sondern ein strategischer Vorteil: Unternehmen, die Skills ins Zentrum ihrer Personalstrategie stellen, können bis zu 30% schneller auf Marktveränderungen reagieren. Zudem steigert der Fokus auf gezielte Skills die Anpassungsfähigkeit der Mitarbeitenden und bereitet sie auf zukünftige Herausforderungen vor.

Für manche Anwendungsfälle sind Skills als Konzept an und für sich weniger gut geeignet. Zum Beispiel im Performance Management ist die reine Fähigkeit etwas zu können oder ein gewisser Wissensstand nicht aussagekräftig dafür, ob die Person auch tatsächlich die Leistung erbracht hat. Im Performance Management können Skills dann wiederum sinnvoll sein, wenn sie neben klar definierten Verhaltensankern, das Bild, das im Performance-Gespräch erzeugt werden soll, klarer machen. Man hat somit mehr Datenpunkte zur Hand, um Mitarbeitenden nicht nur die angeforderte Performance, sondern auch das benötigte Fachwissen und die benötigten Fertigkeiten zu vermitteln.

Wie passen Kompetenzmodelle und Skill-Taxonomien zusammen?

Während Kompetenzen verhaltensbasiert sind, bilden Skills die Grundlage, um das Wissen und die Fähigkeiten zu erwerben, die benötigt werden, um das erwartete Verhalten zu zeigen. Nur mit dem entsprechenden Wissen, also den Skills, kann man sein Verhalten verändern, und umgekehrt lassen sich ohne das notwendige Wissen die erwarteten Verhaltensweisen, die durch Kompetenzen beschrieben werden, nicht vollständig umsetzen. Kompetenzen alleine sind häufig zu starr und generell formuliert, um in vielen Anwendungsfällen eine gezielte und effektive Weiterentwicklung zu ermöglichen. Skills sind somit ein komplementäres Gegenstück zu Kompetenzen: Während Kompetenzen das Zielverhalten beschreiben, sind Skills die Bausteine, um dieses Verhalten zu erlernen und weiterzuentwickeln. Gemeinsam ermöglichen sie eine umfassende und effektive Personalentwicklung, bei der sowohl die individuellen Fähigkeiten als auch das gewünschte Verhalten im Unternehmen harmonisch gefördert werden. Wie das World Economic Forum treffend feststellt: “Kompetenzen definieren, was Menschen sein sollten. Skills beschreiben, was Menschen tun können.” Beide Konzepte spielen eine wichtige Rolle in der modernen Arbeitswelt, müssen jedoch in ihrer Anwendung klar differenziert werden, um den größtmöglichen Nutzen für Unternehmen und Mitarbeitende zu entfalten.

Eine erfolgreiche Integration beider Ansätze erlaubt es Unternehmen, strategische Weitsicht mit operativer Flexibilität zu vereinen. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass es nicht immer sinnvoll oder möglich ist, Skills jeder Kompetenz im Modell 1:1 zuzuordnen. Nicht jeder Skill leitet sich unbedingt direkt inhaltlich aus den übergeordneten Kompetenzen ab. Vor allem in großen Konzernen gibt es unzählige Skills, etwa Industrie- oder branchenspezifische Skills, die sich nicht direkt aus einem Kompetenzmodell erschließen lassen oder die bei der ursprünglichen Definition der Kompetenzen keine Berücksichtigung fanden. Ein gewisser Pragmatismus und eine flexibel gestaltete Verknüpfung von Kompetenzen und Skills sind besonders produktiv, um strategisch und operativ handlungsfähig zu sein.

In jedem Fall müssen sich Unternehmen zunächst die Frage stellen, welche Wissens- und Fähigkeitselemente (Skills) erforderlich sind, um die in einer Rolle geforderten Verhaltensweisen (Kompetenzen) erfolgreich zu zeigen. Eine gängige Herangehensweise besteht darin, Kompetenzen in kleinere, spezifischere Verhaltensweisen/Verhaltensanker zu zerlegen und dabei zu identifizieren, welche Skills benötigt werden, um diese Verhaltensweisen auszuführen. Dieses idealtypische Vorgehen ist jedoch in der Praxis oft schwer umzusetzen, wenn man versucht, alle Skills mit allen Kompetenzen zu verbinden. Stattdessen kann ein pragmatischer Ansatz gewählt werden, bei dem Kompetenzen als übergreifende Cluster von einem Teil der Skills in der Datenbank betrachtet werden. Das bedeutet, dass Kompetenzen weiterhin als zentrale Bausteine im Performance Management fungieren und verhaltensorientiert bleiben, ohne dass sie in noch detailliertere Verhaltensweisen für alle Skills, die es in einer Organisation gibt, aufgeteilt werden. Stattdessen versteht man sie als Aggregationen verschiedener Skills. In diesem Zusammenhang fragen sich Unternehmen, welche spezifischen Skills tendenziell unter welche Kompetenz fallen, also welche Skills dabei unterstützen, eine gewisse Kompetenz zu demonstrieren. Eine generelle Ordnungsbeziehung zwischen Kompetenzen und Skills ist empfehlenswert, anstatt einer zwingend direkten kausalen Verbindung. Eine generelle Ordnungsbeziehung bedeutet, dass nicht alle Skills je nur einer Kompetenz zugeordnet werden, oder dass zwingend alle Skills allen Kompetenzen zugeordnet werden müssen. Personalabteilungen können dann initiativenbasiert und flexibel eine Verbindung zwischen Skills (das notwendige Wissen) und Kompetenz (das zu zeigende Verhalten) in bestimmten Themen herstellen, um eine effektive und nachvollziehbare Personalentwicklung zu gewährleisten.

Kompetenzmodelle und Skill-Taxonomien lassen sich auf verschiedene Weisen ergänzen und kombinieren, abhängig davon, wie weit ein Unternehmen in seiner Entwicklung ist, wie groß ein Unternehmen ist, welche Anwendungsfälle es priorisiert und welche Anforderungen es an die Fähigkeiten und das Verhalten seiner Mitarbeitenden zu bestimmten Zeitpunkten stellt. Im Folgenden haben wir zwei Beispiele aufgearbeitet, die den Prozess unter unterschiedlichen Voraussetzungen verdeutlichen sollen. 

Die erfolgreiche Integration von Skills und Kompetenzen schafft eine starke Basis für die Personalentwicklung. Kompetenzen bieten eine langfristige strategische Ausrichtung, während Skills gezielte, kurzfristige Entwicklungsmöglichkeiten ermöglichen. Das Bild veranschaulicht diese Konzepte anhand zweier Fallbeispiele: Ein mittelständisches IT-Beratungsunternehmen führt ein Kompetenz-Skill-Management-System ein, um Performance und Weiterentwicklung gezielt zu verknüpfen. Ein Logistikkonzern erweitert sein bestehendes Kompetenzmodell um Skills, um gezielter zu rekrutieren und HR-Prozesse wie Reskilling und Nachfolgeplanung zu unterstützen. So zeigt das Modell, wie Unternehmen Skills und Kompetenzen effektiv kombinieren können, um flexibler und effizienter auf Marktanforderungen zu reagieren.

Fazit

In einer Welt, die sich durch technologische Fortschritte und Arbeitsmarktdynamiken ständig verändert, bieten Skills die notwendige Agilität, während Kompetenzen weiterhin wichtig sind, um Transparenz über die Anforderungen an Mitarbeitende zu schaffen. Unternehmen, die auf eine Skill-basierte Strategie setzen, können schneller reagieren, ihre Mitarbeitenden gezielter weiterentwickeln und sind so besser auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet. Kompetenzen bieten Orientierung, langfristige Perspektive und strategische Planbarkeit, während Skills die Werkzeuge sind, um schnell und präzise auf neue Herausforderungen zu reagieren.

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