Skill Gap Analyse: So identifizieren Sie Kompetenzlücken systematisch

Definition

Eine Skill Gap Analyse ist ein strukturierter Prozess, mit dem Organisationen die Lücke zwischen den vorhandenen Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden und den Kompetenzen ermitteln, die für aktuelle oder künftige Aufgaben, Rollen und Unternehmensziele erforderlich sind.

Was ist eine Skill Gap Analyse?

Eine Skill Gap Analyse (oft auch Skill-Gap-Analyse oder Skills Gap Analyse genannt) ist ein systematisches Verfahren, um festzustellen, welche Kompetenzen in einer Organisation, einem Team oder bei einzelnen Mitarbeitenden fehlen. Dazu werden die vorhandenen Fähigkeiten (Ist-Zustand) mit den für Aufgaben, Rollen oder strategische Ziele benötigten Kompetenzen (Soll-Zustand) verglichen.

Das Ergebnis ist eine transparente Übersicht über Kompetenzlücken – die sogenannten Skill Gaps. Auf dieser Basis lassen sich gezielte Maßnahmen in Personalentwicklung, Recruiting und Organisationsentwicklung planen.

Warum ist eine Skill Gap Analyse wichtig?

Für Unternehmen, die sich in dynamischen Märkten bewegen, ist die Skill Gap Analyse ein zentrales Steuerungsinstrument. Sie hilft dabei, Personalressourcen an Geschäftsziele anzupassen und rechtzeitig auf Veränderungen zu reagieren.

  • Strategische Personalentwicklung: Weiterbildungsbudgets können auf Fähigkeiten ausgerichtet werden, die für die Unternehmensstrategie wirklich kritisch sind.
  • Gezieltes Recruiting: Offene Stellen lassen sich so zuschneiden, dass sie genau die Kompetenzen adressieren, die intern fehlen.
  • Risikominimierung: Kritische Kompetenzlücken in Schlüsselrollen (z. B. IT-Sicherheit, Data Analytics) werden frühzeitig sichtbar.
  • Mitarbeiterbindung: Transparente Entwicklungswege und passende Lernangebote erhöhen Motivation und Bindung.
  • Wettbewerbsfähigkeit: Unternehmen bleiben technologisch und fachlich anschlussfähig, weil sie Qualifikationsdefizite systematisch schließen.

Typische Einsatzszenarien

Skill Gap Analysen kommen in unterschiedlichen Kontexten zum Einsatz:

  • Digitale Transformation: Identifikation fehlender Digital- und IT-Kompetenzen bei der Einführung neuer Technologien oder Prozesse.
  • Restrukturierungen und Reorganisationen: Abgleich von vorhandenen Skills mit neuen Rollenprofilen.
  • Aufbau neuer Geschäftsbereiche: Ermittlung der Kompetenzen, die für neue Produkte, Services oder Märkte benötigt werden.
  • Nachfolgeplanung: Analyse, welche Fähigkeiten potenzielle Nachfolger:innen für Schlüsselpositionen noch entwickeln müssen.
  • Compliance & Sicherheit: Sicherstellung, dass Mitarbeitende über alle notwendigen Kenntnisse zu Sicherheit, Datenschutz oder regulatorischen Anforderungen verfügen.

Schritt-für-Schritt: Wie läuft eine Skill Gap Analyse ab?

Der konkrete Ablauf kann je nach Größe und Reifegrad der Organisation variieren. Typisch sind aber folgende Schritte:

1. Ziel und Scope festlegen

  • Welche Bereiche werden betrachtet? (z. B. ein Team, eine Abteilung, das gesamte Unternehmen)
  • Welcher Zeithorizont ist relevant? (aktuelle Anforderungen vs. strategische Ziele in 2–3 Jahren)
  • Welche Rollen oder Kompetenzfelder stehen im Fokus? (z. B. Vertrieb, IT, Führung, Projektmanagement)

2. Soll-Kompetenzen definieren

Im zweiten Schritt wird festgelegt, welche Fähigkeiten für eine Rolle oder Aufgabe erforderlich sind – häufig mithilfe von:

  • Stellenprofilen und Funktionsbeschreibungen,
  • Kompetenzmodellen (z. B. Fach-, Methoden-, Sozial-, Führungskompetenzen),
  • Strategie- und Projektplänen (z. B. geplante Technologien, Märkte),
  • Input von Führungskräften, Expert:innen und HR.

3. Ist-Kompetenzen erfassen

Die tatsächlichen Fähigkeiten der Mitarbeitenden werden erfasst, zum Beispiel durch:

  • Selbsteinschätzungen (Fragebögen, digitale Skills-Profile),
  • Fremdeinschätzungen durch Führungskräfte oder Peers,
  • standardisierte Assessments, Tests oder Zertifikate,
  • Analyse von Projekt- und Performance-Daten.

4. Abgleich von Ist und Soll

Nun werden die Daten gegenübergestellt. Häufig wird mit Skalen (z. B. 1–5) gearbeitet, um den Reifegrad einer Kompetenz sichtbar zu machen.

KompetenzSoll-Level (Rolle)Ist-Level (Mitarbeitende:r)Skill Gap
Data Analytics4 (fortgeschritten)2 (Grundlagen)2 Stufen
Präsentationsfähigkeiten3 (sicher)3 (sicher)0 – kein Gap

5. Maßnahmen ableiten und priorisieren

Aus den erkannten Gaps werden konkrete Aktivitäten abgeleitet, zum Beispiel:

  • Weiterbildungsmaßnahmen: Trainings, E-Learnings, Coaching, Mentoring, Job-Rotation.
  • Recruiting: Neueinstellungen, um nicht intern aufbaubare Kompetenzen zu ergänzen.
  • Organisatorische Anpassungen: Aufgaben neu verteilen, Rollenprofile schärfen, Verantwortlichkeiten bündeln.
  • Lernpfade und Entwicklungspläne: Individuelle Entwicklungsziele mit Zeitplan und Erfolgskriterien.

Da in der Praxis nicht alle Skill Gaps gleichzeitig geschlossen werden können, ist eine Priorisierung notwendig. Kriterien sind zum Beispiel Geschäftskritikalität, Risiko, Aufwand und Umsetzbarkeit.

Praxisbeispiele für Skill Gap Analysen

Beispiel 1: Einführung eines neuen ERP-Systems

Ein mittelständisches Produktionsunternehmen führt ein neues ERP-System ein. Im Rahmen der Skill Gap Analyse wird festgestellt, dass:

  • lediglich 20 % der Mitarbeitenden in der Fertigungsplanung Erfahrung mit modernen ERP-Workflows haben,
  • grundlegende Datenkompetenzen (z. B. Auswertungen interpretieren) nur unzureichend vorhanden sind.

Auf Basis dieser Analyse werden ein mehrstufiges Schulungsprogramm, Super-User-Rollen und begleitendes Coaching eingerichtet. Dadurch sinkt die Fehlerquote in der Auftragsplanung deutlich, die Produktivitätsziele werden erreicht.

Beispiel 2: Aufbau eines Data-Analytics-Teams

Ein Handelsunternehmen möchte datengetriebene Entscheidungen stärken. Die Skill Gap Analyse zeigt:

  • starke Fachkompetenz im Vertrieb,
  • aber nur vereinzelte Kenntnisse in Statistik, Datenvisualisierung und BI-Tools.

Das Unternehmen entscheidet, zentrale Data-Analytics-Rollen extern zu rekrutieren und parallel ein internes Upskilling-Programm (z. B. SQL-, Dashboard- und Grundlagenkurse in Data Literacy) zu etablieren.

Häufige Fehler und Erfolgsfaktoren

Typische Fehler

  • Unklare Zielsetzung: Ohne klaren Fokus (z. B. auf bestimmte Rollen oder strategische Projekte) werden Daten erhoben, die kaum nutzbar sind.
  • Zu grobe Kompetenzbeschreibungen: Pauschale Begriffe wie „IT-Kenntnisse“ sind wenig aussagekräftig.
  • Fehlende Einbindung der Mitarbeitenden: Analysen „von oben“ ohne Dialog erzeugen Widerstand und Misstrauen.
  • Einmalige Aktion statt kontinuierlicher Prozess: Gaps verändern sich mit Markt, Technologie und Strategie – eine einmalige Analyse reicht nicht.

Erfolgsfaktoren

  • Klare, messbare Kompetenzmodelle: Sauber definierte Skills mit Abstufungen erleichtern Bewertung und Vergleich.
  • Datenbasierte Entscheidungen: Kombination aus qualitativen Einschätzungen und quantitativen Daten (Performance, Projekte, Zertifikate).
  • Transparente Kommunikation: Erklärung von Zweck, Vorgehen und Nutzen für Mitarbeitende erhöht Akzeptanz.
  • Verankerung in HR- und Business-Prozessen: Ergebnisse fließen in Personalentwicklung, Recruiting, Nachfolgeplanung und Budgetentscheidungen ein.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

  • Skill Gap: Bezeichnet die konkrete Lücke zwischen vorhandener und benötigter Kompetenz – also das Ergebnis des Vergleichs.
  • Skill Mapping: Systematische Erfassung und Visualisierung vorhandener Fähigkeiten in einer Organisation, häufig als Grundlage für die Skill Gap Analyse.
  • Kompetenzanalyse: Oberbegriff für Verfahren zur Erhebung von Fähigkeiten, der nicht zwingend einen Soll-Ist-Vergleich umfasst.
  • Upskilling / Reskilling: Maßnahmen, mit denen Skill Gaps geschlossen werden – entweder durch Vertiefung bestehender oder Aufbau völlig neuer Kompetenzen.

Fazit

Die Skill Gap Analyse ist ein zentrales Instrument modernen Skill- und Talentmanagements. Sie macht sichtbar, welche Kompetenzen heute und in Zukunft fehlen, und schafft eine belastbare Grundlage für Entscheidungen in Personalentwicklung, Recruiting und Organisation. Unternehmen, die Skill Gaps systematisch analysieren und adressieren, erhöhen ihre Agilität, sichern ihre Wettbewerbsfähigkeit und bieten Mitarbeitenden klare Entwicklungsperspektiven.

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