Was ist die 70-20-10 Methode?

Definition

Die 70-20-10 Methode ist ein Lernmodell der Personal- und Mitarbeiterentwicklung, nach dem 70 % des Lernens durch Praxiserfahrung, 20 % durch soziales Lernen und 10 % durch formale Trainings erfolgen – als Orientierung für einen ausgewogenen Lernmix.

Was ist die 70-20-10 Methode?

Die 70-20-10 Methode (auch 70-20-10-Modell oder 70-20-10-Regel) ist ein verbreitetes Konzept der Personal- und Mitarbeiterentwicklung. Es beschreibt, wie Menschen im Berufsalltag typischerweise lernen und welche Formen des Lernens besonders wirksam sind. Die Grundidee: Lernen findet überwiegend informell im Arbeitsalltag statt und wird durch soziales und formales Lernen ergänzt.

Kurz erklärt: Die 70-20-10-Regel

Nach dem Lernmodell 70-20-10 erfolgt Lernen im Unternehmen idealerweise zu:

  • 70 % durch praktische Erfahrungen im Job (Learning by Doing, Projekte, neue Aufgaben),
  • 20 % durch soziales Lernen (Feedback, Austausch, Mentoring, Zusammenarbeit) und
  • 10 % durch formales Lernen (Schulungen, Trainings, E-Learnings).

Die 70-20-10 Methode ist dabei keine starre Vorschrift, sondern ein Orientierungsrahmen für einen wirksamen Lernmix in der Mitarbeiterentwicklung.

Ursprung und Hintergrund der 70-20-10 Methode

Das Lernmodell 70-20-10 geht auf Untersuchungen des Center for Creative Leadership (CCL) in den USA zurück. In den 1980er-Jahren befragten unter anderem Morgan McCall, Robert W. Eichinger und Michael Lombardo erfolgreiche Führungskräfte dazu, wie sie am meisten gelernt und sich entwickelt haben.

Aus diesen Selbstauskünften entstand die Daumenregel, dass etwa:

  • 70 % des Lernens aus herausfordernden Aufgaben und Praxiserfahrungen,
  • 20 % aus Austausch, Feedback und Vorbildern und
  • 10 % aus formalen Weiterbildungen

stammen. Wichtig: Es handelt sich um Erfahrungswerte, nicht um exakte, experimentell abgesicherte Daten. Die 70-20-10-Regel ist daher eine Orientierung, wie Lernzeit und Lernformate sinnvoll gewichtet werden können.

Die drei Hauptkomponenten der 70-20-10 Methode

70 %: Lernen durch Praxiserfahrung (Experience)

70 % Praxiserfahrung bedeutet, dass der größte Teil des Lernens direkt im Arbeitsalltag stattfindet. Mitarbeitende entwickeln sich vor allem, wenn sie neue Aufgaben übernehmen und Verantwortung in realen Situationen tragen.

Typische Beispiele für erfahrungsbasiertes Lernen sind:

  • Arbeit an herausfordernden Projekten oder Kundenfällen,
  • Job-Rotation (Wechsel zwischen Abteilungen oder Rollen),
  • Übernahme von Projekt- oder Führungsverantwortung auf Probe,
  • „Stretch Assignments“: Aufgaben, die leicht über dem aktuellen Kompetenzniveau liegen.

So werden neue Fähigkeiten unmittelbar im Kontext der eigenen Rolle aufgebaut und gefestigt.

20 %: Soziales Lernen (Exposure)

20 % soziales Lernen bezieht sich auf alles, was durch den Austausch mit anderen Menschen entsteht. Mitarbeitende lernen, indem sie beobachten, Fragen stellen, Feedback erhalten und ihr Handeln reflektieren.

Formen des sozialen Lernens sind zum Beispiel:

  • Mentoring oder Coaching,
  • Peer-Learning und kollegiale Fallberatung,
  • regelmäßige Feedbackgespräche mit Führungskräften oder Kolleg:innen,
  • Wissensaustausch in Communities of Practice oder Team-Meetings.

Dieses Lernen stärkt fachliche Kompetenz, Reflexionsfähigkeit und die gemeinsame Lernkultur.

10 %: Formales Lernen (Education)

10 % formales Lernen umfasst alle strukturierten Bildungsangebote, wie zum Beispiel:

  • Präsenzseminare und Workshops,
  • E-Learnings und Webinare,
  • Blended-Learning-Programme,
  • Zertifikatslehrgänge und Pflichtschulungen.

Formales Lernen bietet einen klaren Rahmen, in dem Grundlagenwissen aufgebaut, komplexe Inhalte strukturiert vermittelt und einheitliche Qualitäts- und Compliance-Anforderungen erfüllt werden können (z. B. Arbeitssicherheit, Datenschutz, Informationssicherheit).

Damit legt es die Basis, auf der informelles Lernen im Arbeitsalltag wirksam anknüpfen kann.

Warum ist die 70-20-10 Methode so verbreitet?

Das 70-20-10-Modell ist im Unternehmenskontext vor allem deshalb populär, weil es:

  • komplexes Lernen einfach darstellt – die Aufteilung in 70/20/10 ist leicht zu kommunizieren und zu visualisieren,
  • den Fokus auf informelles Lernen und Lernen im Arbeitsfluss („Learning in the Flow of Work“) lenkt,
  • zeigt, dass Seminare und Trainings wichtig sind, aber durch Praxis und Austausch ergänzt werden müssen,
  • Unternehmen hilft, Lerninvestitionen breiter zu denken als nur in klassischen Trainingsbudgets.

In vielen Organisationen diente die 70-20-10 Methode als Impuls, die Mitarbeiterentwicklung ganzheitlicher und praxisnäher auszurichten.

Vorteile der 70-20-10 Methode

Richtig eingesetzt, bietet die 70-20-10 Methode mehrere Vorteile für die Mitarbeiter- und Personalentwicklung:

  • Ganzheitliche Entwicklung: Fachliche, methodische und soziale Kompetenzen werden durch die Kombination von Praxis, Austausch und Training gemeinsam gefördert.
  • Hohe Praxisnähe: Lernen findet dort statt, wo die Kompetenzen tatsächlich gebraucht werden – im Arbeitsalltag.
  • Effiziente Nutzung von Ressourcen: Informelles und soziales Lernen ergänzen kostenintensive Trainings und machen sie wirksamer.
  • Stärkere Lernkultur: Der Fokus auf Mentoring, Feedback und Austausch fördert eine Kultur des kontinuierlichen Lernens.
  • Anpassungsfähigkeit: Die Anteile können je nach Unternehmen, Zielgruppe und Rolle flexibel interpretiert werden.

Grenzen und typische Missverständnisse der 70-20-10 Methode

Trotz ihrer Popularität wird die 70-20-10-Regel häufig missverstanden. Typische Denkfehler sind:

  • Starre Quoten: 70-20-10 ist kein Gesetz. Je nach Branche, Tätigkeit oder Lernziel können andere Verteilungen sinnvoller sein (z. B. 50-30-20 bei wissensintensiven Tätigkeiten).
  • Unterschätzung des formalen Lernens: Formale Trainings sind nicht überflüssig – sie schaffen Orientierung, sichern Standards und sind in regulierten Bereichen unverzichtbar.
  • Saubere Trennung der Lernarten: In der Praxis greifen formales, soziales und erfahrungsbasiertes Lernen ineinander. Ein Seminar kann z. B. Praxisübungen und Peer-Austausch beinhalten.
  • „Lernen passiert von selbst“: Informelles Lernen ist nicht automatisch effektiv. Es braucht Zeit, Feedback, geeignige Tools und eine bewusste Lernkultur.

Unternehmen sollten die 70-20-10 Methode deshalb als Leitidee für einen ausgewogenen Lernmix nutzen – nicht als Sparprogramm für Seminare.

70-20-10 in der modernen Arbeitswelt

Digitalisierung und neue Arbeitsformen verändern, wie Lernen im Unternehmen stattfindet:

  • E-Learning-Plattformen und Learning-Experience-Plattformen (LXPs) ermöglichen Learning on Demand – Wissen ist bei Bedarf schnell verfügbar.
  • Learning in the Flow of Work: Lernen wird direkt in Tools und Prozesse integriert (z. B. in Kollaborationsplattformen oder Produktivitätssoftware).
  • KI-gestützte Lernsysteme und adaptives Lernen schlagen Inhalte vor, die zu Rolle, Niveau und Bedarf der Mitarbeitenden passen – die Grenzen zwischen formellem und informellem Lernen verschwimmen.

In diesem Kontext dient die 70-20-10 Methode weiterhin als Orientierung, wie sehr Unternehmen auf Praxiserfahrung, soziales Lernen und strukturierte Trainings setzen sollten – die konkrete Ausgestaltung ist jedoch deutlich flexibler geworden.

70-20-10 in der Praxis: Beispiele für die Umsetzung

So kann eine moderne Interpretation der 70-20-10 Methode in der Mitarbeiterentwicklung aussehen:

  • 70 % Praxiserfahrung: Projektarbeit, Job-Rotation, Shadowing, temporäre Rollenübernahme, Lern-Challenges im Arbeitsalltag.
  • 20 % soziales Lernen: Mentoring-Programme, Peer-Learning-Gruppen, kollegiale Fallberatung, regelmäßige Feedbackschleifen, Communities of Practice.
  • 10 % formales Lernen: E-Learnings, Präsenz- und Online-Trainings, Blended-Learning-Programme, Pflichtschulungen.

Entscheidend ist, dass diese Elemente intelligent verzahnt werden: Formale Trainings bereiten auf neue Aufgaben vor, die im Job erprobt werden, während Austausch und Feedback das Gelernte reflektieren und vertiefen.

Für wen ist die 70-20-10 Methode besonders relevant?

Die 70-20-10 Methode eignet sich vor allem für:

  • Führungskräfte, die Entwicklungspfade für ihre Teams gestalten wollen,
  • L&D- und HR-Verantwortliche, die Lernstrategien und Programme planen,
  • Mitarbeitende in Wissens- und Projektarbeit, deren Fähigkeiten sich kontinuierlich weiterentwickeln müssen,
  • Organisationen, die eine lernorientierte Unternehmenskultur etablieren möchten.

Fazit: Wie Unternehmen die 70-20-10 Methode sinnvoll nutzen

Die 70-20-10 Methode ist ein bewährter Orientierungsrahmen für ganzheitliche Mitarbeiterentwicklung. Sie macht sichtbar, dass wirksamem Lernen mehr zugrunde liegt als klassische Seminare: Praxiserfahrung, sozialer Austausch und formales Training ergänzen sich gegenseitig.

Für Unternehmen bedeutet das:

  • einen sinnvollen Mix aus erfahrungsbasiertem, sozialem und formalem Lernen zu gestalten,
  • Führungskräfte als Lernvorbilder zu befähigen, die Entwicklung im Alltag aktiv fördern,
  • Lernplattformen und Tools einzusetzen, die Austausch, Reflexion und Praxisbezug unterstützen,
  • Lernziele eng an der Unternehmensstrategie auszurichten, damit Lernen messbar zum Geschäftserfolg beiträgt.

So wird die 70-20-10 Methode zu einem praktischen Leitbild für moderne, wirksame Personalentwicklung – statt zu einer starren Zahlenvorgabe.

70-20-10 Methode in der Mitarbeiterentwicklung – Skill Consulting Service
Mitarbeiterentwicklung weitergedacht durch Skill Consulting – von der 70-20-10 Methode bis zur individuellen Lernstrategie.

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